Samstag, 7. Mai 2011

Buchrezension: Der Hodscha und die Piepenkötter

Der Hodscha und die Piepenkötter (Birand Bingül)

Autor:
Birand Bingül, geb. 1974, ist Journalist und Autor. Der WDR-Redakteur hat sich viele Jahre intensiv mit den Themen Integration und Migration beschäftigt und war u.a. Kommentator der ARD Tagesthemen. "Der Hodscha und die Piepenkötter" ist sein zweiter Roman.

Inhalt:
In einer eher ereignislosen Stadt, deren größte Errungenschaft wohl die Wahl einer Frau zur Oberbürgermeisterin ist, steht die Neuwahl für diesen Posten an. Für Ursel Piepenkötter, die erpicht darauf ist, diesen Titel auch noch für die nächste Amtsperiode behalten zu können, bedeutet dies, dass ihr eine arbeitsintensive Zeit bevorsteht, bei der jegliche Ablenkungen zu vermeiden sind. Aber bekanntlich kommt es ja erstens anders und zweitens als man denkt. Das bewahrheitet sich nachdem ein neuer Imam in den verschlafenen Ort Einzug hält. Nuri Hodscha denkt nämlich keineswegs daran den Status quo, Status quo sein zu lassen. Er strebt danach eine "angemessene" Moschee für seine Gemeinde zu bauen und geht dabei sehr rigoros vor. Dabei lässt er sich auch von seinem Gott kaum etwas sagen und wenn die Dinge mal nicht so laufen gibt es immer noch den "Boss" Bruce Springsteen, bei dem der Hodscha immer Trost findet. Die Bemühungen des Hodschas bleiben von Frau Piepenkötter natürlich nicht unbeachtet und bringen sie bei dem Balanceakt zwischen Neufang von Wählern und möglichst Beibehaltung der alten, manchmal ganz schön ins Schwitzen. Was aber für den Hodscha seine Bruce Springsteen-Platten sind, ist für die Piepenkötter ihr schier unerschöpflicher Rotweinvorrat, der dies auch angesichts der rauen Mengen in denen er von der OB konsumiert wird sein sollte.
Charakterköpfe, die Hodscha und OB sind, geraten sie also beim Versuch die jeweiligen Interessen durchzusetzen mächtig aneinander. Beiden ist zur Verwirklichung ihrer Ziele jedes Mittel recht, dafür gehen sie sich sogar buchstäblich an die Gurgel. Es scheint also vorprogrammiert, dass sich die Ereignisse überschlagen. Wie wird die Wahl ausgehen? Wird nun eine, zwei oder gar keine Moschee gebaut und welche Schmutzigkeiten kommen sonst noch ans Tageslicht?

Bewertung:
Wer jetzt denkt, in diesem Buch einen spannenden Krimi zu finden, irrt. Die Wortgefechte zwischen den beiden Kontrahenten Nuri Hodscha und Ursel Piepenkötter sind gespickt mit Wortwitz und strotzen nur so vor Ironie und beiderseitigen Respektlosigkeiten. Die beiden Hauptcharaktere scheinen auf den ersten Blick unterschiedlich wie Tag und Nacht zu sein, im Laufe des Buches erkennt man aber, dass die beiden sich erschreckend ähneln.
Das Buch liest sich sehr angenehm und flüssig und ist auch thematisch einfach mal "etwas Anderes". Zwar wird der Islam, sowie auch andere Religionen, stellenweise ziemlich auf die Schippe genommen. Jedoch bleibt das in den meisten Fällen in einem (meiner Meinung nach) vertretbaren Rahmen. Provokant ist das Buch auch in Anbetracht des exzessiven Alkoholkonsums der Bürgermeisterin und der Skrupellosigkeit des Hodschas, der auch vor Körperverletzung nicht zurückschreckt. Andererseits lernt der Leser nebenbei noch etwas über den Islam - was natürlich kein Nachteil ist. Alles in allem kann ich das Buch als kurzweiligen Lesespaß mit ernstem (aber nicht 100% Ernst zu nehmendem) Inhalt gerne weiterempfehlen!

(Erschienen im Rowohlt Verlag, 316 Seiten, 13,95 €)

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